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Tipps gegen das Aufschieben


 

Morgen ist auch noch ein Schreibtag.

Es ist die Lieblingsbeschäftigung der Gegenwart. Und ein Fressen fürs schlechte Gewissen. Prokrastinieren, die moderne Form des Aufschiebens. Es kann jeder drunter leiden. Wer schreibt, ist besonders anfällig dafür.



Einsam steht er da, der erste Satz.

Mehr hast du noch nicht zustande gebracht, und das seit Tagen.

Du wartest auf den zweiten Satz.

Er kommt nicht.

Und der dritte schon gar nicht.

Du hast im Kopf, was du sagen willst. Die Gedanken stehen bei Fuß, allerdings tust du damit nicht, was andere Autoren damit tun: sie aufschreiben. Du schiebst deine Sätze im Hirn herum, bis du Kopfweh kriegst. Ein dumpfes Pochen, das dir einbläut, was für ein buchstäblicher Vollpfosten du bist. In der Hoffnung, dass dir wer widerspricht, sagst du jedem, dass du nicht für ein Dasein als Autor geschaffen bist. Leider widerspricht keiner.


Es ist sinnlos, dir etwas vorzumachen, du bist ein Aufschieber. Du kämpfst mit deinen Buchstaben. Deine Buchstaben kämpfen mit deinem schlechten Gewissen. Dein schlechtes Gewissen verbündet sich mit dem Stress. Der Stress verbündet sich mit der Angst. Die Lösung ist einfach: Setz dich hin und schreib.


Tja, wenn’s nur so leicht wäre.

Wenn man doch nach der Devise leben dürfte: Es macht nichts, wenn man nichts macht.

Wenn man doch nur nach dem Motto arbeiten könnte: Manches ist einfach unbeschreiblich.

Bitte, du hast es ja versucht. Du hast dich hingesetzt und hast die Finger auf die Tastatur gelegt. Du hattest einen Zeitplan. Nur die Worte fandest du nicht.

Morgen, dachtest du, morgen fange ich an.


Es mag dich trösten: Fast jeder Mensch ist ein Aufschieber, zumindest jeder, der schreibt. Und fast jeder braucht ein bisschen Termindruck von außen, um sich aufzuraffen. Ungut wird es erst, wenn sich das Selbstbild des chronischen Trödlers ins Unterbewusste eingebrannt hat, dem bloß zwei Möglichkeiten bleiben: Entweder der Text wird nicht rechtzeitig fertig, und man steht in aller Augen als Versager da. Oder man schafft es irgendwie, aber der massive Druck dahinter macht das Geschriebene unlesbar, einen selber panisch. Schuldgefühle und schlechtes Gewissen riechen so etwas wie ein Hund die Angst. Und schnappen zusätzlich aufs Herrchen.


Aufschieben ist kein Versagen, sondern ein Schutzmechanismus. So seltsam es klingen mag, belohnt man sich damit, wenigstens für einen kurzen Moment. Eine kurze Befreiung von Stress verringert die Spannung und verschafft Abstand. Nullachtfünfzehn-Ratschläge helfen da gar nichts. Gescheit reden kann man alleine, davon hat sich noch nie was von selber geschrieben.


Aber kein Autor ist von Geburt an ein Aufschieber. Zeitmanagement ist erlernt. Die Attitüde gegenüber Abgabeterminen ist antrainiert. Die gute Nachricht also: Wenn man sich das Aufschieben beibringen kann, kann man es auch wieder verlernen.


Nur: wie jetzt? Der erste Schritt ist eine ehrliche Selbst-Analyse, eine Art Röntgen der persönlichen Verzögerungsmuster, die die Gründe des ewigen Zauderns bloßlegen. Man darf sich da ruhig auf etwas gefasst machen. Denn hinter der Aufschieberei liegen Ängste mit tiefen Wurzeln und Probleme mit langen Zähnen.


Fünf Arten von Ängste:

  1. Versagensängste: Man setzt Erfolg mit persönlichem Wert gleich und hat daher Angst, zu scheitern.

  2. Überforderung: Man fühlt sich der Aufgabe nicht gewachsen.

  3. Rebellion: Aufschieben ist manchmal ein unbewusstes Mittel der Machtkontrolle, man will den Zeitplan selbst bestimmen, koste es, was es wolle.

  4. Unklarheit: Man schiebt Dinge vor sich her, weil man nicht genau weiß, wie und an welchem Ende man die Aufgabe anpacken soll.

  5. Erfolgsangst: Macht man jetzt Furore, kann man später auf viel höherem Niveau scheitern und viel tiefer fallen. Aufschieben ist also keine Charakterschwäche.


Aber jede Angst lässt sich überwinden. Hier kommen acht gute Tipps zum Weitermachen:


  1. Achte auf deine innere Stimme. Klopft sie ständig Sprüche wie „du bist eben einfach schreibfaul“ oder „du brauchst einen Abgabetermin“, dann stopfe ihr den Mund, bevor du dich weiter demotivierst. Ersetze alle Phrasen, die Druck ausüben, wie „ich muss“ oder „ich sollte endlich“ durch „ich will“, „ich werde“ und „ich tue“.

  2. Vermeide Killer-Floskeln. Projekte, die „wahnsinnig groß“, „irrsinnig wichtig“ oder „unglaublich anstrengend“ sind, erzeugen in dir nur Panik. Sage dir stattdessen „ich schaffe das, indem ich einen Satz nach dem anderen schreibe“.

  3. Lege dir für große Texte einen umgekehrten Kalender zu. Setze den Abgabetermin an erste Stelle, teile dir die Zeit bis zum heutigen Datum ein und lege das Schreibpensum für jeden Tag fest. Damit hast du einen Überblick, wann wie viel zu schreiben ist.

  4. Steh alle halben Stunden auf und schüttle deinen Körper durch, als hinge er an einem Seil. Das Hirn braucht körperliche Impulse, um geistig auf Zack zu bleiben.

  5. Schreib den Anfang nicht zuletzt und das Ende nicht als erstes. Geh chronologisch vor, das erspart nachher Redigierarbeit.

  6. Stelle dir vor, wie du den letzten Punkt setzt. Zwischendurch glaubt man immer, so ein Text wird nie fertig.

  7. Komm in den Fluss. Der sogenannte Flow ist der Zustand von effektivem, kreativen Arbeiten, in dem sich die Gehirnhälften nicht im Weg stehen, sondern zusammenarbeiten. In diesen Fließzustand kommt man durch regelmäßiges autogenes Training oder durch Meditation.

  8. Vergiss über all der Disziplin beim Schreiben nicht zu leben. Menschen, die vor lauter Arbeit auf sich selbst vergessen, schieben nicht nur Texte vor sich her. Sondern ihr Leben.

Tipp: Regen wir zusammen die Denkmuskulatur an. In unserer ersten Übung kommst du sicherlich auf neue Gedanken.

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