Ein Abend im Jahr 2015. Ich sitze auf meiner Couch und schaue im Fernsehen eine Doku. Es geht um neue Erkenntnisse zu einer Reliquie, den Titulus Crucis. Irgendwann bemerke ich, dass ich die Doku schon einmal gesehen haben muss. Solche Themen interessieren mich eben: Rätsel der Vergangenheit, Geheimnisse, Mysterien. Habe natürlich Dan Browns Bücher gelesen und die Indiana Jones-Filme zehnmal gesehen. Auf einmal ein Geistesblitz. »Was wäre eigentlich, wenn …«, frage ich mich. Und sitze auf einmal mit offenem Mund da.
Ich schalte den Fernseher ab und laufe zum Computer. Suche im Google und auf Amazon, ob schon jemand anderer diese eine Idee gehabt hatte und schon einen Film oder ein Buch darüber gemacht hat. Mit jeder Seite, die ich im Netz öffne, mit jeder Zeile, die ich runterscrolle, werden meine Augen immer größer. »Da gibt’s noch nichts. Diese Idee hat anscheinend noch niemand gehabt. Da muss ich was machen. Das ist meine Chance!«
Und jetzt? Was mache ich mit der Idee? Schreibe ich ein Buch? Ich? Passt das Thema überhaupt zu mir? Sollte ich dafür nicht einmal irgendjemanden zu Rate ziehen? Einen Autor? Einen Experten, der sich mit dem Buchschreiben auskennt? Ach was, denke ich. Das schaff ich alleine.
Ein Jahr später, als die Idee, die in meinem Hinterkopf sitzt, immer mehr auf meinen Frontallappen drückt, beschließe ich, das Projekt endlich anzugehen. Den Plot habe ich mittlerweile. Das war nicht einfach. An unzähligen Wochenenden bin ich vor dem Computer gesessen und habe mir überlegt, wie die Geschichte laufen könnte. Ein professioneller Geschichtenschreiber hätte das wahrscheinlich schneller hingekriegt. Einem Freund habe ich von meiner Idee erzählt. Mit der Hoffnung auf ein paar Inputs. Aber der hat nur gesagt: »Gute Idee!«, und hat noch tiefer in sein Bierglas geblickt. Mit meinem Projekt stehe ich ganz allein da. Ist es überhaupt eines?
Ich bin freier Journalist. Habe damals jeden Tag etliche Artikel für verschiedene Magazine geschrieben. Und mir gedacht, wenn ich einen Artikel mit 27.000 Zeichen schreiben kann – das war bis dahin mein längster zusammenhängender Text – dann kann ich auch ein Buch schreiben. Vor allem erfülle ich ja das wichtigste Kriterium: Ich kann schreiben. Und zwar nicht, weil ich es vor langer Zeit in der Volksschule gelernt habe, sondern weil unzählige meiner Artikel in den verschiedensten Magazinen und Zeitungen abgedruckt worden sind. Ich habe viele Schreibregeln gelernt, weiß, dass ich beispielsweise keine Fremdwörter verwenden oder Wortschlangen vermeiden und möglichst kurze Sätze schreiben soll. Wofür brauche ich also einen Experten?
Dann habe ich mich hingesetzt und zu schreiben begonnen. Ich habe geschrieben und geschrieben. Hab mich, egal wann ich Zeit gefunden habe, mit meinem alten Laptop auf die Couch gesetzt und getippt.
Das reine Schreiben war eigentlich auch das Schönste an dem ganzen Projekt. Wenn man Buchstabe um Buchstabe aneinanderfügt und damit eine Landschaft, einen Menschen – oder was auch immer – erschafft, dann wird das Schreiben spektakulär. Hat der Kerl einen Bart? Wenn ja, was für einen? Lass ich ihn auf der nächsten Seite sterben, oder kommt er noch einmal davon? Ist das Auto pink oder schwarz? Ist die Dame hübsch oder dick und hässlich? Als Schreiberling war ich Herr meiner Welt. Klar, hatte ich auch ein paar Standards zu erfüllen. Eine Polizeidirektion muss auch in meinem Buch aussehen wie eine Polizeidirektion. Die Redaktion eines Magazins ebenfalls. Aber es gibt auch Bücher, in denen die Menschen fliegen können. Und zwar ohne Flugzeug. Und ohne LSD.
Vom oft zum Thema Schreiben zitierten Stephen King fiel mir irgendwann eine Aussage ein, dass er jeden Tag acht Seiten schreibt. Wenn er damit schon zu Mittag fertig ist, dann hat er den Nachmittag frei. Wenn er abends erst sechs Seiten geschafft hat, dann schreibt er so lange, bis er eben acht Seiten beisammen hat. Das ist ein Super-Plan, habe ich mir gedacht. Und täglich zwölf Seiten runtergeschrieben.
Und mir gedacht: Ha, Stephen King, ich schaffe vier Seiten mehr als du! Aber vielleicht generiert er ja erst beim Schreiben seinen Plot, den ich ja schon vorab fix und fertig hatte. Und wahrscheinlich brauchen die acht Seiten eines Stephen King weniger Redigier-Arbeit als später dann bei mir.
Und dann war ich fertig. Ich hatte 850.000 Zeichen. Das Buch wäre ein richtiger Wälzer geworden. 650 Seiten. Ich habe mir alle ausgedruckt. Und war stolz. Und habe erfahren dürfen, was dieses kleine Adjektiv eigentlich bedeutet. Als ich die Matura bestanden hatte, hatte ich mir gedacht: »Ok, check.« Als mir die Magister-Bulle in die Hand gedrückt wurde, hatte ich mir gedacht: »Ok, check.« Aber als die Seiten mit meinem Buch aus meinem Drucker herausgerasselt sind, das war etwas ganz Besonderes.
Aber ich war noch nicht wirklich fertig. Dann habe ich zu redigieren begonnen. Und viele Stellen gestrichen. Aber egal, wie viele Stellen ich gestrichen habe und egal, was ich da oder dort dazugeschrieben habe, ich war mit dem Lesefluss nicht wirklich glücklich. Es ist eine Super-Idee, die da drinsteckt, aber irgendwie ist das Ganze doch eher langatmig. Ich weiß nicht, warum. Ich habe überlegt, es jemandem zum Lesen zu geben. Aber ich hatte Angst, dass die mein Buch und meine Idee für nicht gut halten.
Dann habe ich weiter redigiert und gekürzt und umgeschrieben. Ich habe auch nicht gewusst, welche Stellen ich rausschmeißen soll. Welche wirklich nicht wichtig waren. Für mich war alles wichtig. Natürlich habe ich auch auf meinen journalistischen Background gesetzt. Ich kann schreiben. Und ich kann auch redigieren. Aber …
Lange Rede, kurzer Schluss: Ich bin dann doch zu Experten gegangen. Andrea und Thomas haben sich wirklich viel Zeit für mich und mein Buch genommen. Meine Idee hat ihnen gut gefallen. Und sie haben gewusst, was gekürzt gehört und was nicht.
Das Buch hat jetzt 319 Seiten. 412.000 Zeichen. Und viele Leute, die es gelesen haben, haben gesagt, dass es sooo spannend ist.
Wir wünschen auch dir viel Erfolg bei deinem Schreibbaby,
dein ICHSCHREIBE-Team
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