„Du bist so langweilig. Du kannst ja nur schreiben – und das kann eigentlich eh ein jeder,“ hat einmal eine Dame zu mir gesagt. Da war ich baff. Da ist mir nichts darauf eingefallen. Klar, habe ich schreiben und lesen gelernt – in der Volksschule, wie eigentlich eh jeder andere auch. Ich habe dann gleich in der zweiten Klasse begonnen, ein Buch zu schreiben: Über die Abenteuer, die meine Playmobil-Piraten erlebt haben. Daraus ist zwar nie wirklich ein Buch entstanden, aber während meine Klassenkameraden auf der Wiese Fußball gespielt haben, bin ich im Kämmerchen gesessen und habe geschrieben – mit Schreibfeder und Tinte – eben wie ein echter Piratenkapitän. Das Aneinanderreihen von Buchstaben hat mir einfach Spaß gemacht – und macht es noch immer. Daher habe ich mich später dann für den Journalismus entschieden. Habe natürlich noch viel lernen müssen, vom Programmabsatz, von der bildhaften Sprache oder verschiedenen Redigierregeln, wie etwa „kill your darlings“, dem Löschen seiner Lieblingsformulierungen in einem Text. Aber diese „Du kannst ja nur schreiben“-Ansage hat mich lange beschäftigt. Überflüssig zu erwähnen, dass diese Worte am letzten Abend unserer Beziehung gefallen sind.
Kann wirklich jeder schreiben? Was benötigt man überhaupt dazu? Reicht Talent allein aus? Oder ist es ein erlerntes Handwerk? Und kann eine Begabung einem gutleserlichen Text auch im Wege stehen?
Jeder kann schreiben.
Unter „Talent“ steht auf Wikipedia „eine Begabung“. Sie wird wie folgt definiert:
„In Abgrenzung zu erlerntem Wissen und durch Übung erlangte Fähigkeiten, ist Begabung eine besondere Anlage einer Person, auf dem entsprechenden Gebiet vergleichsweise schnell Fortschritte zu machen sowie ein überdurchschnittliches Leistungsniveau erreichen zu können.“
Aber halt! Denke jetzt nicht: Hab ich nicht, dann vergesse ich eben die Idee mit dem Buch. Denn das Schreiben kann man lernen.
Habe ich diese Begabung? Ich weiß es nicht. Zwar ist vergangenes Jahr mein erstes Buch erschienen, aber an manchen Texten sitze ich noch immer manchmal stundenlang, bis ich einen Anfang, eine Struktur und einen schönen, leserlichen Lauf hinkriege. Ich denke, ich habe die Bereitschaft, mich vor den Computer zu setzen und an einem Text so lange zu feilen, bis er sich gut liest.
Talent ist eine besondere Gabe. Wenn ein zehnjähriger Knirps auf dem Tennisplatz seinem Gegner die Bälle um die Ohren schlägt, dann heißt es natürlich, dass der Kleine talentiert ist. Der fetzt den Aufschlag übers Netz, treibt den Kontrahenten mit seinem Winkelspiel an der Grundlinie hin und her und schlägt einen Passierball nach dem anderen. 6:0, 6:0, 6:0.
Aber Talent allein reicht nicht. Nirgends. Hinter dem Spiel des Kleinen steckt viel Arbeit. Um die Schläge so präzise setzen zu können, ist viel Übung notwendig. Die langen Trainingseinheiten übersieht man gerne.
So ist es auch beim Schreiben. Schreiben, schreiben, schreiben. Und nochmals schreiben. Der erste Aufsatz wird nicht besser sein, wie der allererste Aufschlag. Nur mit Handwerk und viel Übung schlägt man ein Ass. Kommen Talent, Handwerk und viel Übung zusammen, dann purzeln die Worte nur so ins Word-Dokument. Nicht immer. Aber dann eben immer öfter.
Nun ist eine leere Word-Seite kein Tennisplatz. Die ist weiß und sieht einen grausam an, wenn man davorsitzt. Da kommen vielen Menschen Zweifel, ob und was und wie viel sie schreiben sollen. Oder überhaupt schreiben können.
Beim Schreiben von Büchern geht es immer um Geschichten. Selbst Sachbücher erzählen eine Geschichte. Und es gibt viele Menschen, die seit ihrer Schulzeit keine Geschichte mehr geschrieben haben. Dabei hatten sie damals vielleicht ein richtiges Talent dafür.
Es gibt also nur einen Weg, um herauszufinden, ob du Talent für das Schreiben hast. Schreibe! Probiere! Trainiere! Kein Schriftsteller wird sich einfach so hingesetzt und gleich seinen ersten Bestseller so runtergetippt haben. Das Handwerk braucht Übung.
Wie sieht das Handwerk beim Schreiben aus?
Zum Reinschnuppern haben wir einmal fünf Punkte zusammengefasst. Es gibt natürlich noch viel mehr Schreibregeln. Am besten nimmst du dir eine Regel-Checkliste und schaust dir deine Texte damit an.
Vermeide Fremdwörter. Versuche nicht mit wissenschaftlichen Fremdwörtern in deinem Text zu glänzen. Denk an deine Leser.
Vermeide Nominalkonstruktionen. Du gehst testen und nicht zur Testung.
Texte aktiv. Kein Passiv. Manchmal lässt es sich nicht vermeiden. Aber generell solltest du „worden“ und „wurden“ nicht verwenden.
Keine Schachtelsätze. Wenn du in einem Satz schon einen Nebensatz hast, mach einen Punkt. Und fange den nächsten wieder neu an. Dann gibt es auch mit zerrissenen zusammengesetzten Verben keine Verständigungsprobleme.
Und setze Adjektive sparsam ein. Natürlich liefern Eigenschaftsworte eine Zusatzinfo im Text. Aber versuche sie zu umschreiben. Das wirkt lebendiger. Beispiel: Er ist sportlich. Besser: Er läuft jeden Tag zehn Kilometer.
Natürlich kannst du die eine oder andere Kleinigkeit noch immer ausbessern, wenn der Text einmal heruntergeschrieben ist und du ihn noch einmal durchgehst. Texte kürzen oder bearbeiten gehört auch zum Handwerk. Oft sitzt man vor seinem fertigen Text und ist so verliebt in eine Formulierung, dass man übersieht, dass sie gar nicht zum übrigen Text passt. Und eigentlich raus muss.
In einem guten Text, der flott und launig klingt – als würde man die Geschichte seinem besten Freund erzählen – dürfen keine holprigen Stellen drin sein, die den Lesefluss beeinträchtigen. Da kann einem eine Formulierungsgabe schon einmal einen Streich spielen. Am besten legt man den fertigen Text einmal beiseite und schaut ihn erst ein paar Stunden später, oder noch besser: erst am nächsten Tag noch einmal an. Du wirst überrascht sein, was du ändern willst.
Wir wünschen viel Erfolg!
Bis bald,
dein ICHSCHREIBE-Team
Comments